Aus Erinnerungen

  • "Aus unserer Familie haben mein Vater und mein Bruder Borja den Krieg nicht überlebt. ...Tante Etka aus Witebsk und ihr Ehemann hatten es nicht geschafft zu fliehen und starben im Ghetto. Alle vier Söhne Etkas wurden ebenfalls getötet. Ermordet wurde. Leyb, der Sohn von Haim-Gerschon, ermordet wurde auch Ljonja Minz, der Sohn von Dowid, dem Bruder meines Vaters. ... Ermordet wurde auch sein Bruder Grischa, ebenso wie Haim Beylinson.. Die Wehrmacht besetzte Newel und er wurde zusammen mit anderen Juden erschossen…"
    Minz Iossif
  • "Ich werde mich mein Leben lang erinnern, wie ich einmal auf dem Weg zu meiner Mutter ins Lazarett war, als ich von einer Clique Jugendlicher auf einer Brücke abgefangen wurde. Sie drehten mir die Arme nach hinten, legten mir einen Strick um den Hals und führten mich ab. Den neugierig fragenden Erwachsenen erklärten sie: „Wir wollen den Judenbengel hängen.“ Und die Erwachsenen gaben nur verständnisvolle Laute von sich."
    Heyfez Michail
  • "Wir hatten große Angst. Das war eine jüdische Angst, die Angst, ein Jude zu sein. Eben diese Angst trieb uns auf unserem Leidensweg immer weiter an."
    Schachmurowa Ljusja
  • "Nur eins war offensichtlich: wir mussten vor den Deutschen fliehen… Es gab keine Orientierungshilfe, keine Aufklärung, keine Unterstützung, weder von der Regierung noch von den Behörden im Hinterland."
    Schachmurowa Ljusja
  • "Mein Mund war trocken und vor Sorge blieb mir die Puste weg – so konnte ich nur ein paar Mal einen unsicheren, leisen Ton von mir geben: „Papa!“ Aber meine Stimme verlor sich im Gestampfe unzähliger Füße und im Rattern der Räder. Ich traute mich nicht, aus vollem Hals „Kleyman!“ oder „Wladimir Aronowitsch!“ zu schreien: durch den jüdischen Namen meines Vaters konnte ich eine falsche Aufmerksamkeit auf mich ziehen und von der Menge gar Prügel bekommen…"
    Kleyman Viktor
  • "Ich denke nicht, dass ich mehr Leid erfahren habe als andere Menschen. Aber nicht jedes Kind musste miterleben, wie seine Mutter Brot aus den Händen eines toten Soldaten nahm oder wie sie die eigenen vor Schreck schreienden Kinder aus einem brennenden Zug den Abhang herunter warf…"
    Schustin Aisik

UNBEKANNTEN GESCHICHTEN JÜDISCHER KINDER IM SCHATTEN DES HOLOCAUST

In unserem Projekt ”Verbrannte Kindheit“ möchten wir Erinnerungen von Kriegskindern, heutige Rentner, über die Evakuierung, Flucht vor der Hitlerarmee und das Leben im sowjetischen Hinterland während des Zweiten Weltkrieges sammeln.

Das erste Buch im Rahmen des Projekts, namentlich „Evakuierung – Erinnerungen aus der vom Holocaust verbrannten Kindheit. UdSSR. 1941-1945“, das in Jerusalem im Jahre 2009 erschien, war eigentlich die erste ernsthafte Publikation über jüdische Flüchtlinge im Zweiten Weltkrieg. Die Einzigartigkeit ihrer Schicksale wurde jahzehntelang verschwiegen. Im Unterschied zu anderen Bevölkerungsgruppen, blieb den Juden nicht die geringste Überlebenschance unter der Hitlerherrschaft. Die Nazis hatten weder ihre Umerziehung noch Ausbeutung als gehorsame Sklaven vor. Die Nazi-Ungeheuer planten für die Juden nichts außer der totalen Vernichtung.

Sogar Flucht und Evakuierung konnten den Verfolgten nicht immer das Leben retten. Antisemitische Ausschreitungen seitens vieler Mitbürger, „einfacher sowjetischer Menschen“, konnten genau wie eine deutsche Kugel jüdisches Leben beenden.

„Einmal hat mich eine Gruppe von Jugendlichen auf der Brücke gepackt“, erinnert sich Michael Heifetz. „Sie haben mir die Arme auf den Rücken gebunden, mir eine Schlinge um den Hals gelegt und mich irgendwohin geführt. Den neugierigen Erwachsenen auf dem Weg erklärten sie: ‘Den Itzig hängen wir gerade auf.‘ Die Erwachsenen haben ziemlich verständnisvoll genickt.”

So etwas kann man nicht vergessen.